New Black
Festival, Donaufestival Krems
In unserer künstlerischen Arbeit sprechen wir von den Schwarzen und den Weißen, höchst unkorrekt und unpräzise, aber deswegen oft nah an dem Denken, das die Wirklichkeit bestimmt, die unkorrekt und unpräzise ist. Wir denken in zwei Systemen und machen Aufführungen, die von europäischem und afrikanischem Publikum mit tausend Missverständnissen gemocht und gehasst werden. Nicht relativieren, nicht aufklären, nicht ironisieren, sondern insistieren, bis es lebt!
Monika Gintersdorfer, ZEIT Nr. 53/2009
Vor mehr als sechs Jahren sind die Regisseurin Monika Gintersdorfer und der bildende Künstler Knut Klaßen ausgezogen, um die Theaterwelt das Fürchten zu lehren. Und dabei sind sie an die Elfenbeinküste geraten. Was bei vielen ihrer KollegInnen, die sich eine künstlerische Blutzellenerneuerung in fremden Kulturen verordnet haben, wirkt wie ein tragisches Reenactment eines Kreuzzuges im Mäntelchen eines Bildungsurlaubes, sieht im Falle der beiden jedoch anders aus, radikal anders! Hier hat sich das Theater in seiner gesellschaftspolitischen Funktion, in seiner Ästhetik, seiner Begrifflichkeit und Funktion neu definiert. Nicht der Ansatz eines vereinfachten, schöngeistigen Bildes interkultureller Völkerverständigung sondern das Insistieren auf Differenzen sind der Motor dieses performativen Sprengstoffes, der daherkommt wie ein Club, in dem auch getanzt, getrunken, „gerappt, aufgelegt und gemodelt wird. Ganz „nebenbei” werden hier Gesellschaft, Politik, Religion, Philosophie und Differenzen von Kulturen abgehandelt: hier erhält das Theater jene Kraft zurück, die es ihm erlaubt, es wieder mit dem Leben aufzunehmen! Im letzten Herbst haben Gintersdorfer/Klaßen im Verbund mit ihren ivorischen und europäischen KollegInnen das Resultat ihrer jahrelangen Arbeit in Berlin und Hamburg präsentiert. Die berühmte Vergnügungsmeile in der Hauptstadt Abidjan „Rue Princesse” gab dem dreitägigen Festival, das Theater, Tanz, Medienkunst, Installation aber auch Animation, Rap, DJing, Tanz und Mode ineinander verschmelzen ließ, ihren Namen. Für das donaufestival 2011 kreiert das polykulturelle KünstlerInnen- Netzwerk ein neues Festival, das seinen Titel dem legendären Club New Black in Abidjan verdankt. Neben den zeitlich genau definierten Theater- und Tanzstücken wird der Kremser Stadtsaal aka New Black ein Wochenende lang jeden Abend das Zentrum einer sozialen künstlerischen Plastik sein, die alle Attribute aufweist, die jeder gute Club aufzuweisen hat. „Couper ist ein umgangssprachlicher Begriff von den Straßen Abidjans und heißt soviel wie Unfug treiben oder betrunken sein, in der Pariser Lebensrealität der Ivorer verwandelte sich die Bedeutung in betrügen, bluffen, einen Schnitt machen, darauf folgt décaler und travailler, abhauen und arbeiten...” Basis der interkulturellen Auseinandersetzung des Performance-Projektes Gintersdorfer/Klaßen ist eine subversive Lebens-, Club- und Performance- Kultur namens Couper Décaler, die 2003 von der Gruppe Jet Set kreiert wurde und mittlerweile einen Siegeszug in die afrikanische und europäische Clubszene antrat. In der Parallelwelt zwischen der krisengeschüttelten Elfenbeinküste und der ivorischen Pariser Diaspora wurde die eigene Existenz der „Jet Setisten” in einer Mischung aus subversiver Selbstbehauptung, Dandytum und Glamour zum offensiven performativen Spiel mit Chiffren und Klischees. Theatrale Inszenierungen des eigenen Lebens, die Erfindung ständig neuer Tanzformen, exklusive Designermode, teure Zigarren und fette Autos überdeckten die Alltagssorgen wie ungesicherte Lebensumstände, Geld- und Justizprobleme der MigrantInnen in den Pariser Banlieues. Die selbsternannten Stars des Couper Décaler hoben sich schon rein äußerlich vom üblichen Bild des „Migranten” ab, und entzogen sich so den üblichen Zuschreibungen des weißen männlichen Blicks. In den Clubs singen die DJs Geschichten über eine Jet-Set-Welt, in der die Migranten die großen Positionen besetzen, sie werden zu Bankern, Botschaftern oder Präsidenten. Politisches mischt sich mit Ironie, Amüsement und Show.
Thomas Zierhofer-Kin